8. Fahrradforum der Stadt Schweinfurt 20.02.2019
Visionen für die Verkehrswende in der Stadt Schweinfurt suchte man bei dem vom Planungsbüro Dargel Hildebrandt aus Hannover vorstellten Radverkehrskonzept vergeblich.
Im Wesentlichen ging es darum, Beschilderungen an die seit über 20 Jahren geltende Rechtslage – Stichwort Radwegebenutzungspflicht – anzupassen. Außerdem wurden Detaillösungen vorgestellt, die die wesentlichen Mängel an der Radwegeinfrastruktur beseitigen sollen. Der ADFC Schweinfurt hat schon vor Jahren mit einer ausführlichen Liste auf die vielen Mängel vergeblich hingewiesen. Dafür hätte man sich das Planungsbüro sparen können. Die ERA 2010 (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) stellt ausführlich dar, wie Radverkehrsanlagen zu bauen sind. Spannend wird der Besuch der AGFK (Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlichen Kommunen in Bayern) im Herbst 2019. Schweinfurt will als Mitglied wesentliche Verbesserungen für den Radverkehr erreichen. Offensichtlich fehlt der Stadt Schweinfurt der politische Mut für eine zukunftsorientiere Verkehrspolitik. So beinhalten die vom Planungsbüro PGV-Dargel-Hildebrandt leider keine Leuchtturmprojekte oder zukunftsfähige Lösungen für modernen Radverkehr, sondern überwiegend „Malaktionen“ auf der Straße: hier mal ein bisschen Schutzstreifen anlegen, dort ein bisschen Fahrbahnmarkierung zur Führung des Radverkehrs.
Wie könnte eine Vision für den Radverkehr in Schweinfurt aussehen?
Radverkehr braucht mehr Platz. Die Zunahme des Radverkehrs und der größere Platzbedarf kann nicht dadurch gelöst werden, dass Verkehrsfläche den Fußgängern weggenommen wird. Jetzt sollen auch noch E-Scooter (Elektroroller bis 20km/h) auf Radwegen Platz finden. Die meisten Radwege in Schweinfurt sind aber gemischte Rad-/Fußwege. (Zeichen 240, Gemeinsamer Geh- und Radweg). Wie soll das funktionieren? Platz ist in einer Stadt wie Schweinfurt genügend vorhanden. Er muss nur anders verteilt werden. KFZ stehen über 90% des Tages ungenutzt auf öffentlichen Verkehrsflächen. Wenn der MIV (Motorisierte Individualverkehr) und damit auch der tatsächlich CO2-Ausstoß verringert werden soll, muss Verkehr umgeschichtet werden. Dies erreicht man durch eine größere Nutzung des ÖPNV und durch eine attraktive Radverkehrsinfrastruktur, auf der sich alle, die Radfahren wollen, wohl und sicher fühlen. Ohnehin ist in einer Innenstadt wie Schweinfurt das Rad das schnellste Verkehrsmittel. Es kann überall unproblematisch geparkt werden und ist äußerst flexibel. In anderen europäischen Städten wie Utrecht oder Kopenhagen funktioniert das wunderbar. Utrecht spart dabei auch noch jährlich 250 Millionen Euro ein. Radverkehr stärkt den lokalen Einzelhandel. Radfahrende sind eine solvente Kundschaft.
„Wer Straßen säht, wird Verkehr ernten.“ Dieser Zusammenhang ist inzwischen durch Untersuchungen eindeutig belegt. Das Umweltbundesamt erläutert (Determinanten der Verkehrsentstehung, ISSN 0722-186X), wie sich Bau oder Ausbau von Infrastruktur auf den Verkehr auswirken (sog. Induzierter Verkehr). Deutlich wird, dass die Städte ein wunderbares Instrument in der Hand haben, wie sie selbst durch Mobilitätsangebote zukunftsfähige, lebenswerte und saubere Städte erreichen lassen. Selbst die Bundesregierung prüft derzeit die Chancen und Möglichkeiten für kostenlosen Nahverkehr. Städte anderer Länder sind da schon weiter (in Polen, Dänemark, Frankreich, USA usw.). Die gezielte Förderung des Fuß- und Radverkehrs bekommt einen immer wichtigeren Anteil an der positiven Entwicklung von reinen Autostädten hin zu Städten für Menschen.